In dieser Interviewreihe geben die RefNat4LIFE-Projektpartner Einblick in ihre Erfahrung und Motivation, sich für nachhaltige Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik einzusetzen. Dieses Mal haben wir mit Thomas Trevisan von ATMOsphere (früher shecco) in Belgien gesprochen. ATMOsphere’ s Mission ist, die Umstellung auf nachhaltige Kühltechnologien mit natürlichen Kältemitteln voranzutreiben.
Claudia Becker (HEAT GmbH): Thomas, wie können relevante Akteure wie Investoren, Endnutzer und Hersteller am besten beim Übergang zu nachhaltigen Kühltechnologien unterstützt werden?
Thomas Trevisan (ATMOsphere, Belgien): Es besteht weltweit ein großer Bedarf an einer Abkehr von fluorierten Kältemitteln im Kälte-Klima-Sektor sowie an einer Verbesserung der Energieeffizienz von Geräten. Dies ist entscheidend, um die Klimakrise zu bewältigen und eine nachhaltigere Zukunft zu sichern. Glücklicherweise sind energieeffiziente Technologien, die mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden, bereits ausgereift und auf dem Markt erhältlich. Es kommt also vor allem darauf an, die Möglichkeiten und Vorteile nachhaltiger Kühlung und Klimatisierung bekannt zu machen.
Die Entscheidung für nachhaltige Kühltechnologien unterstützt nicht nur den Kampf gegen den Klimawandel und die Umweltverschmutzung, sondern ist auch wirtschaftlich sinnvoll, da sie unter anderem Kosteneinsparungen bei der Stromrechnung ermöglicht. In Anbetracht der besonders hohen Volatilität der heutigen Energiemärkte bin ich der Meinung, dass die Lösung dieses Problems alle angeht, insbesondere die Akteure des Kälte-Klima-Wärmepumpensektors, dessen Geräte zu den größten Energieverbrauchern unserer modernen Volkswirtschaften gehören.
Darüber hinaus können politische Maßnahmen wie Verknappungen (sektorale Verbote) und Anreize (Subventionen) den Übergang zu einer nachhaltigeren Zukunft unterstützen, indem sie den Markt in die richtige Richtung lenken.
Claudia: Was sind die größten Herausforderungen?
Thomas: Im Hinblick auf die Hauptzielgruppen dieses LIFE-Projekts haben wir festgestellt, dass das Bewusstsein für nachhaltige Kühllösungen durchweg als entscheidende Herausforderung genannt wurde, die es anzugehen gilt. Insbesondere die Besitzer kleiner Bioläden und auch viele Kälte-Klima-Techniker wissen oft nicht, dass es nachhaltige Alternativen für Kühlung und Klimatisierung gibt. Leider fehlt es diesen Endnutzern oft an den Ressourcen, um eine Umstellung in Angriff zu nehmen. Als Ressourcen bezeichne ich hier sowohl wirtschaftliche Mittel als auch Zeit/Personal, um sich diesen Fragen zu widmen; darüber hinaus hat COVID definitiv nicht dazu beigetragen, diesen Übergang zu unterstützen. Andererseits sind die Techniker, die die Endnutzer beraten sollen, oft nicht ausreichend über nachhaltige Kühlungsoptionen informiert. Mit diesem Projekt wollen wir diese zwingenden Herausforderungen angehen.
Claudia: Welche politischen Maßnahmen unterstützen die Umstellung auf klimafreundliche Kühlung in Europa?
Thomas: Auf politischer Ebene sind Kühlgeräte seit vielen Jahren ein Thema, sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene. Meistens werden diese Geräte durch energie- und kältemittelbezogene Maßnahmen gefördert.
Der erste Aspekt bezieht sich auf die Energiemenge, die diese Geräte verbrauchen, was von großer Bedeutung ist, da der Sektor einer der energieintensivsten in unseren Volkswirtschaften ist. Auf EU-Ebene zielen die Ökodesign-Richtlinie und die Rahmenverordnung zur Energieverbrauchskennzeichnung hauptsächlich auf diesen Aspekt ab. Sie versuchen, Mindestwerte für die Energieeffizienz festzulegen, um ineffiziente Geräte aus dem Markt zu drängen.
Im Bereich der Kältemittel ist die F-Gas-Verordnung der EU hervorzuheben, die sich mit dem Markt für fluorierte Gase befasst, um deren Einsatz zu verringern. Zwei wichtige Regulierungsmaßnahmen, die in dieser Verordnung zur Anwendung kommen, sind der Zeitplan für den schrittweisen Abbau von HFKW, der die zulässige Menge der auf dem europäischen Markt produzierten und verbrauchten HFKW kontinuierlich reduziert, sowie sektorale Verbote von fluorierten Kältemitteln auf der Grundlage von GWP*-Schwellenwerten für bestimmte Geräte, für die es Alternativen gibt.
Eine weitere Regulierungsmaßnahme auf EU-Ebene, die sich zwangsläufig auf die Verwendung fluorierter Kältemittel auswirken wird, gewinnt an Dynamik. Die Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen bereiten gemeinsam ein Dossier vor, um weitere Regulierungsmaßnahmen für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) vorzuschlagen. Diese Chemikalien, auch „forever chemicals“ genannt, sind nachweislich schädlich für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Fluorierte Kältemittel wurden in den Geltungsbereich dieses Regulierungsprozesses aufgenommen, und erste Hinweise auf die künftige Regelung werden für Januar 2023 erwartet. Internationale Organisationen versuchen, etwas Licht in die komplizierte Welt der PFAS zu bringen, u.a. durch deren Definition. Die OECD/UNEP Global Perfluorinated Chemicals (PFC)-Gruppe, die sich mit diesem Thema befasst, hat vor kurzem einige Informationen zu Kältemitteln veröffentlicht, die als PFAS gelten. Hier sind einige sehr bekannte HFKW-Kältemittel wie R134a und R1234yf aufgelistet. Wir bei ATMOsphere erwarten, dass diese bevorstehende Verordnung entscheidend sein wird für den Übergang zu nachhaltigen Kühllösungen mit natürlichen Kältemitteln.
Claudia: Warum ist ATMOsphere Partner im RefNat4LIFE-Projekt geworden?
Thomas: ATMOsphere hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kühlung durch die beschleunigte globale Einführung von natürlichen Kältemitteln zu verbessern. Wir glauben fest daran, dass wir dieses EU-weite Projekt unterstützen können, das große Überschneidungen mit unserer Aufgabe aufweist. Tatsächlich kommt die Einführung natürlicher Kältemittel in kleineren Anlagen im Einzelhandel immer noch relativ langsam voran, obwohl dieser einen bedeutenden Teil des Kältemarktes ausmacht. Daher sahen wir das Potenzial dieses Projekts darin, das Bewusstsein für nachhaltige Kühllösungen, die in diesem Sektor bereits auf dem Markt sind, zu stärken.
Im Kampf gegen den Klimawandel und die Umweltverschmutzung sind gemeinsame Anstrengungen erforderlich, da diese Themen uns alle betreffen. Das Bewusstsein für energieeffiziente Geräte, die mit natürlich vorkommenden Gasen arbeiten, zu schärfen, war schon immer ein zentraler Punkt in der Mission von ATMOsphere.
*Global warming potential, Treibhauspotential